In der Inflationszeit gab es Arbeitslohn in Form von Brotmarken Marken erinnern an die Zeche "Massener Tiefbau"
von Horst Weckelmann
In der Inflationszeit 1922/23 litten auch die Bergleute und ihre Familien große Not. Die Kohlenförderung und die Koksproduktion gingen rapide zurück. Die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung wurde ständig schlechter. Für die Bergleute der Zeche "Massener Tiefbau", von denen eine Leistungssteigerung verlangt wurde, war dies besonders deprimierend. Im Jahr 1922 wurden noch 94 Mill. Tonnen Steinkohle in Deutschland gefördert. Ein Jahr später, 1923 sank die Förderung auf 40 Mill. Tonnen. In diesem Jahr erreichte die Inflation auch ihren Höhepunkt. Der passive Widerstand gegen die Besatzung des Ruhrgebietes durch die Franzosen endete im Chaos. Für das Notgeld konnte man nichts kaufen und die Reichsmark wurde ständig wertloser.
Im Ruhrkohlenbergbau konnten die Unterstützungsleistungen nicht mehr gezahlt werden.
Der Durchschnittslohn eines Hauers im Gedinge betrug auf dem Höhepunkt der Inflation 5.132.600.000.000 Mark (5 Billionen 132 Milliarden 600 Millionen) pro Schicht. Mit dem Lohn, der am Montag gezahlt wurde, konnten die Bergleute am Freitag der gleichen Woche kein Brot mehr kaufen. Statt Lohn gab es nun auf der Zeche "Massener Tiefbau" in Massen-Nord Brotmarken, damit die Bergarbeiter wenigstens das tägliche Brot kaufen konnten. Es wurden auch Milchscheine an Stelle von Lohn ausgegeben, um die Kleinkinder notdürftig versorgen zu können. Der Kampf des "Alten Bergarbeiter-Verbandes" förderte die Geschlossenheit der Bergbaubeschäftigten, ohne ihn wäre kein Fortschritt erreicht worden. In der Buderussiedlung, im Volksmund auch "Korsika" genannt fanden die Bewohner in den späteren Jahren bei der Gartenarbeit noch Brotmarken aus der Inflationszeit. In dem zu Ende gehendem Jahr 1923 gab es bei der Ausgabe von Banknoten, Scheine im Wert von 100 Billionen Mark. Der Dollar stieg 1923 von 18000 Mark auf 4,2 Billionen Mark. Steinkohle wurde benötigt, aber die im Bergbau beschäftigten Menschen hatten auch die Lasten der Geldentwertung zu tragen. In der Bergmannssiedlung "Buderusstrasse", die 1917 erbaut wurde, wohnten fleißige Arbeiter der Zeche "Massener Tiefbau" und die pflegten eine gute Nachbarschaft. Obwohl die Siedlungsbewohner größtenteils Selbstversorger durch den Anbau von Kartoffeln, Gemüse und Obst waren, wurde ihre Situation durch die Schlachtviehhaltung noch verbessert. Trotz besserer Ernährung durch Eigenversorgung und Brotmarken mussten die körperlich schwer arbeitenden Bergleute um die Sicherheit der Grube kämpfen. Sinkende Reallöhne brachten die Bergleute in eine schwierige Lage. Aber durch ausdauernden Kampf gelang es höhere Tariflöhne zu erreichen. Die an Stelle von Lohn ausgegebenen Brotmarken linderten die Not der Bergarbeiter und ihrer Familien. Die Bildung einer Schicksalsgemeinschaft, gegenseitige Hilfe und Solidarität führten zur Verbesserung der Arbeits-und Lebensverhältnisse. Mit dem Ende der Inflation und der Einführung der Rentenmark konnten die Brotmarken nicht mehr eingelöst werden. Die Kolonialwarengeschäfte und die Bäckereien nahmen die Brotmarken nicht mehr an und ab diesem Zeitpunkt haben die Marken nur noch einen historischen Wert.